Sustainable Innovations
Sustainable Innovations #3: +17,4% - Offcuts Kollektion
Überreste aus der Textilproduktion sinnvoll einsetzen – und zum Upgrade für die gleichen Kleidungsstücke nutzen?
Das geht: Während seiner Arbeit in der Bekleidungsindustrie sah der Produktdesigner Seok Park, welche Unmengen an Überresten entstehen – es inspirierte ihn dazu, diese sinnvoll zu nutzen. Mit seinem Studio Popopo aus Eindhoven hat er aus diesem Grund das Projekt OFFCUTS ins Leben gerufen. In der OFFCUT-Kollektion werden zusätzliche Teile für Kleidungsstücke aus Stoffresten hergestellt – Stoffreste, die bei der Produktion exakt dieser Kleidungsstücke anfallen und die bei Verwendung der Kleidung einen Mehrwert bieten. So ist das Ziel nicht nur, Reste wiederzuverwenden, sondern auch, diese zu einem anderen Produkt aufzuwerten und so in die produzierte Kleidung einzubinden.
Jedes Werk ist nach dem Prozentsatz benannt, der den Verschnitt bei der Herstellung von Kleidungsmustern angibt – 17,4% beispielsweise.
Re-use, re-value, re-connect
„Mit dem Projekt möchte ich auf das Potenzial von Stoffresten aufmerksam machen, indem ich deren eigene, einzigartige Geschichte aufzeige – jenseits von industriellen Nebenprodukten oder wiederverwendbaren Abfällen.“
– Seok Park
17,4: Das ist der Prozentsatz an Schnittüberschuss, der bei der Produktion von Chore Jackets (Deutsch: Hausarbeitsjacke), dem Klassiker der Arbeitsbekleidung, anfällt. Der funktionale Wert ist heute überholt – deshalb werden im Projekt +17,4% Reststücke aus 60 Chore Jackets verwendet, um daraus eine Kollektion praktischer Zusatzteile zu produzieren. Diese Accessoires bieten zusätzlichen Nutzen für bestimmte Gegebenheiten wie Witterungsbedingungen der verschiedenen Jahreszeiten und mehr.
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Mehr Infos über SUSTAINABLE INNOVATIONS finden Sie in diesem Interview mit Simon Angel, Kurator des Sustainable Innovations Forum, dem Projekt #1 ‚Biotic‘ und dem Projekt #2 ‚Offcuts‘:
Interview über Pre-Creation, -Action und -Connection in unserer Branche >>
Sustainable Innovations SS23 #1: Bakterien zum Tragen by Lionne van Deursen >>
Sustainable Innovations SS23 #2: Flower Matter by Irene Purasachit >>
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Textil-Innovationen, die Sie in 2022 unbedingt kennen sollten
Textil-Innovationen, die Sie in 2022 unbedingt kennen sollten
(falls noch nicht der Fall)
EIN BEITRAG VON FASHNERD FOUNDER MUCHANETA KAPFUNDE.
Prognostiziert wird, dass der Wettlauf um die Digitalisierung des Textilsektors im Jahr 2022 weiter an Fahrt aufnehmen wird. Nachhaltigkeit ist dabei nach wie vor ein zentrales Thema, dessen bahnbrechende Innovationen einer sehr traditionellen Branche helfen, neue Geschäftsfelder zu erkennen. Diese führen zu einer grundlegenden Veränderung der Branche und der zukünftigen Entwicklungen.
Neue Ausrichtung des Textilsystems dank einer neuen Denkweise
Immer mehr Textilhersteller, Zulieferer, Einkäufer und Designer halten nicht länger an konventionellen Prozessen fest. Sie setzen auf ein Textilsystem, das es ihnen ermöglicht, bessere wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Ergebnisse zu erzielen. Hinzu kommt, dass die Priorisierung der Anwendung von neuen Technologien der Textilindustrie geholfen hat, die ersten Schritte auf dem Weg zu neuen Geschäftsmodellen, technologischer Innovation und grundlegender Kooperation zu machen.
„Unser Erfolg hängt nicht nur von der Arbeit innerhalb unserer eigenen Wertschöpfungskette ab, sondern auch von bahnbrechenden Partnerschaften in einem breiteren Ökosystem der Textilproduktion und -herstellung“, so Cyrus Wadia, VP Sustainable Business and Innovation bei Nike, im Bericht der Ellen MacArthur Foundation „A New Textiles Economy: Redesigning Fashion’s Future“.
Da die Technologie auch im Jahr 2022 einen erheblichen Einfluss auf die Textilindustrie haben wird, sollten Sie die folgenden Innovationen dieser drei wegweisenden Unternehmen im Auge behalten:
1. Kelp – eine der erneuerbarsten natürlichen Ressourcen: Algiknit
In dem Bestreben, die Textilproduktion umweltbewusster zu gestalten, bietet Algiknit Materialoptionen an, die genauso leistungsfähig sind wie herkömmliche Materialien.
„„Das Garn, das wir heute herstellen, hat die Optik und Haptik von Naturfasern, die den Verbrauchern vertraut sind, und bietet darüber hinaus alle Voraussetzungen für ein kompromissloses, bewusstes Material“, sagt Aaron Nesser, Mitbegründer und CTO von AlgiKnit.
Algiknit ist der Entwicklung von Stoffinnovationen einen Schritt voraus, wodurch dieses Garn auf Seetangbasis tatsächlich zum Mainstream werden könnte. Das Start-up ist derzeit dabei, die Produktion von umweltfreundlichen Garnen für zukunftsorientierte, globale Modemarken zu skalieren.
Seetang gilt als eine der erneuerbarsten, natürlichen Ressourcen weltweit. Das in Brooklyn ansässige Unternehmen stellt kohlenstoffneutrale, giftfreie Textilien her und hat die letzten vier Jahre damit verbracht, eine Technologie zu entwickeln, mit der sich Garne in kommerziellem Maßstab herstellen lassen. Das Ziel ist, die Produktion so weit steigern zu können, dass die wachsende Nachfrage nach dem Material rechtzeitig gedeckt werden kann.
2. Süßwasserfreie Textilfasern, die nächste Alternative: SaltyCo
Das britische Startup SaltyCO hat eine süßwasserfreie Textilfaser entwickelt. Mit dem Ziel, eine Alternative zum süßwasserintensiven Baumwollanbau zu schaffen, bekämpft SaltyCO den Nebeneffekt des verschwenderischen Frischwasserverbrauchs, indem es das System revolutioniert und eine neue Kategorie der nachhaltigen Textilproduktion einführt.
Dabei vertritt SaltyCO die Auffassung, dass es keine Einzellösung für „Nachhaltigkeit“ gibt. Die Vision des Unternehmens ist es, eine den Planeten heilende Lieferkette aufzubauen, die beim Ansatz für eine regenerative Landwirtschaft beginnt. In der Hoffnung, durch die Beschaffung ihres Pflanzenmaterials die größtmögliche Wirkung zu erzielen, hat das materialwissenschaftliche Unternehmen bisher eine geeignete salztolerante Pflanze für die textile Lieferkette gefunden. Sie erforschen nun regenerative Anbautechniken und Textilprodukte. Das Ergebnis ist BioPuff, eine pflanzliche Faserfüllung, die im Labor von SaltyCO in Schottland hergestellt wird.
Als Alternative zu tierischen und erdölbasierten Produkten wird BioPuff aus reiner Zellulose hergestellt und spart Berichten zufolge bei jeder Jacke 70% an Erdöl und bis zu 25 Liter frisches Trinkwasser ein.
3. Auf Biologie setzen, statt auf Öl: Biofabricate
Wussten Sie, dass wir am Beginn eines neuen Zeitalters stehen, in dem wir biologisch gestalten und biofabrizieren können? Biomaterialien sind nicht mehr nur auf kleine Experimente beschränkt, sondern haben bereits das Interesse bekannter Marken wie Adidas und Hermès geweckt, die nach pflanzlichen Alternativen zum Erdöl suchen.
Biofabricate hat das Potenzial von „lebenden Fabriken“ wie Myzel, Bakterien, Hefe und Algen erkannt. Das Startup-Unternehmen ist davon überzeugt, dass eine nachhaltige, materielle Welt mit Biologie und nicht mit Erdöl aufgebaut werden muss. Suzanne Lee, Gründerin und Geschäftsführerin von Biofabricate, ist sich bewusst, dass es keine Abkürzungen auf dem Weg zum Ziel gibt. Sie ist der Meinung, dass die Industrie Geduld und Hartnäckigkeit aufbringen sollte.
„Dies kann für viele Designer, die schnelle Ergebnisse wollen, ein Problem darstellen. Aber leider funktioniert die Biologie so nicht“, erklärte Lee im Interview mit Nextnature.net.
Da eine neue Generation von Biofabrikations- und Zelllandwirtschafts Start-Ups weiterhin Maßstäbe setzt, ist Biofabricate zur Anlaufstelle für alle geworden, die Design und Biotechnologie auf intelligente Weise miteinander verbinden wollen.
In der gegenwärtigen Landschaft setzen textile Erfindungen den Standard, indem sie die Textilindustrie dazu bringen, die Fakten zu verstehen und sich bei Lösungen mit einbringen. Letztendlich ist die Materialinnovation jedoch eine anhaltende Reise, auf die sich alle Beteiligten begeben sollten, sofern sie es nicht schon längst sind.
Sind Sie interessiert an mehr Fakten & Details der neuen Textil-Ökonomie?
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Antimikrobielle Textilien, Held oder Hype?
Die Neue Textilindustry, ein Katalysator für Transformation?
ABOUT THE AUTHOR
Muchaneta ist Gründerin und Chefredakteurin von FashNerd.com und arbeitet seit über 14 Jahren in der Modebranche. Sie gilt als eine der führenden Influencern in dem Bereich Wearable Technologies und die Fusion von Mode und Technologie.
Muchaneta Kapfunde | editor@fashnerd.com
Sustainable Innovations #2: Flower Matter
Ob für Zuhause, im Restaurant oder als Geschenk für die Liebsten – schöne Blumensträuße bereiten in vielen Lebenslagen eine Freude. Das Problem: Die für den gewerblichen Verkauf angepflanzten Blumen haben nur eine kurze Lebensdauer. Stehen sie erstmal in der Vase, sind sie nach wenigen Tagen welk und werden weggeworfen – bei ca. 40 Prozent der Blumen kommt es gar nicht erst zum Verkauf, sodass Blumenhändler*innen die Ware selbst entsorgen müssen. Die in Finnland lebende Designerin Irene Purasachit schenkt diesen Blumen ein zweites Leben – angetrieben von den Unmengen an Blumenabfällen, die auf den Märkten in ihrem Heimatland Thailand täglich entstehen.
Diese recycelt sie zu Stoff und Papier, aus denen sie nachhaltige Taschen, Geldbeutel oder Blumenpapier herstellt. Dadurch entstehen nicht nur neue, biologisch abbaubare und plastikfreie Produkte – auch tonnenweise Müll wird dabei eingespart.
Für ihr Projekt Flower Matter kreiert sie unter anderem „Flower Paper“, ein Papier das zu 100 Prozent aus Blumenstielen und -blättern besteht. Einzigartige Unikate: Das Papier variiert in Farbe und Struktur – je nach verwendeter Blumenart. Mit ihrem „Flaux“ Material – das Wort steht für Flower und Flexible Sheet – kreiert sie einen komplett natürlichen, Leder-ähnlichen Stoff, der dann zu Geldbeuteln und Taschen für ihre Kollektion verarbeitet wird.
Für Flaux nutzt sie hauptsächlich Rosen und Nelken. Die Farbpalette: natürliche, klassische Rottöne, zartes Rosa, kräftiges Orange und sanftes Gelb – für alle ist etwas dabei.
„Obwohl ich mich noch in einem sehr frühen Stadium der Materialentwicklung befinde, bin ich während meiner Reise mit Flower Matter oft mit dem Dilemma konfrontiert worden, was wirklich nachhaltig ist. Wie kann ich zum Beispiel ein völlig natürliches, biologisch abbaubares Material aus Blumenabfällen herstellen, das den hohen Erwartungen des Marktes an seine Eigenschaften (extrem haltbar, wasserfest usw.) gerecht wird? Letztendlich habe ich gelernt, dass es äußerst schwierig ist, alle Erwartungen zu erfüllen. Abgesehen von meiner Absicht, meine Blumenmaterialien so ökologisch wie möglich weiterzuentwickeln, möchte ich auch die Wahrnehmung des Marktes gegenüber innovativen Materialien hinterfragen. Ich glaube, dass wir auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt lernen müssen, neue Materialien auf eine andere Art und Weise zu verwenden und mit ihnen anders umzugehen, als mit denen, die mit hochindustrialisierten Prozessen hergestellt wurden, an die wir heute gewöhnt sind.”
– Irene Purasachit
Mehr Infos über SUSTAINABLE INNOVATIONS finden Sie in diesem Interview mit Simon Angel, Kurator des Sustainable Innovations Forum und dem Projekt #1 ‚Biotic‘:
Interview über Pre-Creation, -Action und -Connection in unserer Branche >>
Sustainable Innovations SS23 #1: Bakterien zum Tragen by Lionne van Deursen >>
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Bakterien zum Tragen
Man nehme Hefe, Bakterien und gesüßten grünen Tee – nach einem Fermentationsprozess wird daraus biologisch abbaubares, widerstandsfähiges und hochflexibles Material. Wie das funktioniert? Mikroben spinnen Nanofasern aus bakterieller Zellulose auf eine Oberfläche. Sobald diese Schicht getrocknet ist, wird sie zu einem festen Material, das sich in den Eigenschaften sehr ähnlich zu Leder verhält. Die Dicke des Stoffs kann während des Wachstumsprozesses leicht angepasst werden: Je nach Dauer des Wachstums wird er entweder instabiler und dünner oder fester und dicker. Abhängig von der Stärke entstehen im Material verschiedene Nuancen und unterschiedliche Transluzenzen. Mit diesen Materialeigenschaften gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten: Im nassen Zustand kann beispielsweise eine Textur aufgetragen werden, die auch vollständig getrocknet noch sichtbar bleibt. Auch die Farbe des Stoffs kann aufgrund der hohen Absorptionsfähigkeit leicht verändert werden. Ausprobieren zahlt sich deshalb aus. In Experimenten mit Pflanzenfarben und Farbstoffen aus Fruchtabfällen ist eine Stoffkollektion mit bunten Farben, unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeit und abwechslungsreichen Mustern entstanden.
Lebende Organismen, die umweltschonende Materialien produzieren – dahinter steht das Projekt „Biotic“ des Studios Lionne van Deursen aus Uden in den Niederlanden für Materialforschung und Produktdesign, das 2019 von der gleichnamigen Designerin ins Leben gerufen wurde. Durch verschiedene Experimente generiert das Team Einblicke in die unglaubliche Vielfalt neuer und biobasierter Materialien. Die Vorteile sprechen für sich: Für die Produktion des Materials sind nur lokale Ressourcen erforderlich und fürs Färben werden ausschließlich pflanzliche Mittel verwendet. Daraus ergeben sich nicht nur nachhaltige Materialien, sondern allem voran auch ein nachhaltiger Produktionsprozess.
„Das Ziel des Projekts ist es, nachhaltige Produkte aus Materialien zu entwickeln, die der Umwelt nicht schaden. So können wir Möglichkeiten für biologisch produziertes Material aufzeigen – von lebenden Mikroorganismen erschaffen, biologisch abbaubar, stark und hochflexibel.“
– Lionne van Deursen
Mehr Infos über SUSTAINABLE INNOVATIONS finden Sie in diesem Interview mit Simon Angel, Kurator des Sustainable Innovations Forum:
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Interview über Pre-Creation, -Action und -Connection in unserer Branche
Unser Ansprechpartner für die Entwicklungen, die wegweisend für unsere Branche sind? Simon Angel – Kurator der SUSTAINABLE INNOVATIONS, welche jede Saison auf der MUNICH FABRIC START vorgestellt werden. SUSTAINABLE INNOVATIONS bietet eine Plattform für spannende Jungdesigner, die außergewöhnliche Materialentwicklungen kreieren und die Textilwelt neu denken – mit diesen Insights sind Sie dem Markt immer einen Schritt voraus.
Hier geht’s zu einer Übersicht der SUSTAINABLE INNOVATIONS der letzten Saisons >>
Hey Simon, schön dich zu sehen. Wie geht’s dir?
Derzeit beschäftigen mich die Umstände, die auf die aktuelle Zeit zurückzuführen sind: Neben den primären Auswirkungen der Corona-Pandemie gibt es noch die Nebeneffekte auf die Gesellschaft als Ganzes, ebenso wie Schwierigkeiten für uns als Individuen. Jetzt gerade erreichen die persönlichen Auswirkungen der globalen Herausforderungen ihren Höhepunkt. Und ja, wann immer der Druck zu groß wird, müssen sich die Menschen (und die Gesellschaft) distanzieren, um sich selbst zu „retten“ und die Herausforderungen zu bewältigen. Im Moment führt dies zu neuen Realitäten, Ignoranz oder Verleugnung. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen: Was ist hier gerade los? Und außerdem: Was ist überhaupt real und was nicht? Was ist die echte Realität? Und… neben den aktuellen Herausforderungen durch Covid und den Klimawandel gibt es vielleicht noch eine größere Fragestellung: Zuverlässigkeit.
Also müssen wir uns an die neue Realität anpassen. Was sind Ansätze, um dies zu meistern?
Aktuell gibt es, wie schon gesagt, zwei Schlüsselbegriffe, die wirklich wichtig sind: Realität und Zuverlässigkeit. Ich denke, wir sollten diese Worte wieder so verstehen, dass sie unser Bewusstsein tangieren. Wofür kämpfen wir wirklich? Was sind unsere wahren Probleme? Bewegende Themen sind die Übermengen an Plastik, Kleidung und Konsumgütern. Eine Folge des Konsumverhaltens – das eigentliche, grundlegende Problem liegt allerdings noch tiefer. Klar: Der Klimawandel, Konsum, Klamottenberge auf Deponien, Corona, Fake News – das sind alles Herausforderungen dieser Zeit. Es ist gut und wichtig, das Chaos, das daraus resultiert, zu beseitigen. Aber die Lösung kann nicht nur Aufräumen sein. Wir müssen tiefer gehen und uns fragen: Warum haben wir die Verbindung zu dem verloren, was wirklich real und wichtig ist? Wir sollten in all dem Inspirationen suchen, um etwas zu ändern, anstatt immer nur auf das Schlechte zu schauen.
„Wir müssen tiefer gehen und uns fragen: Warum haben wir die Verbindung zu dem verloren, was wirklich real und wichtig ist? Wir sollten in all dem Inspirationen suchen, um etwas zu ändern, anstatt immer nur auf das Schlechte zu schauen.“
Wie lässt sich dies Deiner Meinung nach erreichen?
Ich denke, wir müssen Vorsilben verändern. Nachdenken wird zu pre-denken. Recyclen zu pre-cyclen.
Gib diesem Gedanken mal etwas Raum. Es geht darum, zu pre-agieren statt zu reagieren: Wir müssen etwas Neues erschaffen, um den nächsten Generationen den Weg für eine bessere Zukunft zu ebnen. Nur auf Gegebenheiten zu reagieren wird niemals inspirierend sein. Auf toxische Umstände einzugehen und damit weiterzumachen kann niemals zu frischen, aufregenden oder neuen Impulsen führen. In dieser Zeit geht es darum, unsere Beziehungen zueinander neu zu gestalten. Vordenken, statt über die Vergangenheit nachzudenken. Wir können keine bessere Zukunft erschaffen, solange wir alte und schlechte Muster aufrechterhalten. Das betrifft die Wirtschaft, die Mode, aber auch zwischenmenschliche Beziehungen.
Die Vorsilbe „Re“ in „Reagieren“ deutet darauf hin, dass wir auf etwas bereits Vorhandenes agieren. Doch dass, was schon vorhanden war, hilft uns nicht für eine neue Zukunft. Wir müssen pre-agieren, uns wiederverbinden und pre-kreieren. Um einen Wandel voranzutreiben, braucht es neue und frische Ideen, sonst wird das nichts. Lasst uns neue Pre-Beziehungen schaffen, um uns mit der zukünftigen Generation zu pre-connecten.
Schauen wir auf die diesjährigen Sustainable Innovations. Wo gibt es Parallelen zu dem Konzept Pre-Action?
Wir versuchen, uns immer auf die wahren Herausforderungen zu fokussieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Frage nach dem, was wir wirklich wollen, stellt sich immer wieder.
Ein allgegenwärtiges Ziel: Eine echte Person innerhalb einer guten Gesellschaft zu sein, die eng mit der Natur verbunden ist. Unsere Projekte zeigen, wie wir dieser Vorstellung einen Schritt näherkommen können – wie man pre-agieren kann, um etwas zu verändern.
Motorskins zeigt Lösungen dafür, wie man mit der Pre-Kreation von Bewegungen und Support schlank und aktiv werden kann.
Das Studio Panorama Fabrics pre-kreiert Sunkolor auf der Basis von Licht, was den Einbezug natürlicher Elemente ganzheitlich verkörpert.
Ein weiteres Beispiel dafür, von der Natur zu lernen, zu pre-agieren und die Natur als kollaborativen Partner zu sehen, zeigt Irene Purasachit mit ihrem Projekt Flower Matter.
Mit Innovationen wie diesen kann es uns gelingen, auf die wahren Fragen zu reagieren und echte Lösungen für die Probleme der nächsten Jahre zu pre-agieren. Diese und weitere SUSTAINABLE INNOVATIONS werden wir Ihnen in den kommenden Wochen im Detail hier auf unserem M/UNIQUE Blog vorstellen.
Eine Sneak Peak in unser E-Magazine:
Seaweed Design von Violaine Buet
Seaweed Design® von Violaine Buet
Am Anfang stand ihr Wunsch, mit einem natürlichen, lebendigen Material zu arbeiten. Die Wahl von Violaine Buet fiel intuitiv auf Seegras, die uralte Meerespflanze, die einen Teil der Landschaft ihrer Kindheit in der Bretagne ausmachte. Das übergeordnete Ziel ihrer Bemühungen: Ein innovatives Fachwissen über Algen zu entwickeln, um sie in Kunst, Haute Couture, Szenografie und Dekoration bis hin zu Visual Merchandising und industrieller Fertigung einzusetzen. Denn: Seegras kann vielfältig genutzt werden. Ob weben, färben, nähen, bedrucken, prägen, tuften, gravieren, flechten oder pressen – die Möglichkeiten scheinen schier unbegrenzt.
Mit ihrem handwerklichen Geschick als Designerin erkundet Violaine Buet die ästhetischen und technischen Eigenschaften des Materials, entwickelt natürliche Färbemethoden mit der Unterstützung von Experten für pflanzliche Färbung und Biopolymerforschern. Mit interdisziplinären Methoden verknüpft sie so Fachwissen mit Handwerk, inspiriert von Weber:innen, Lederverarbeiter:innen, Juwelier:innen, Schneider:innen, Siebdrucker:innen, Vergolder:innen und Glasermeister:innen. So entstehen nicht nur maßgeschneiderte Textilien aus den biologisch abbaubaren Algen, sondern darüber hinaus auch Wände, Landschaften und Installationen.
“It’s like writing a story with an inevitable factor of time. With seaweed I have to take into account seasons, species, tides, weight, smell, particularities, colour-fade, hydrophilicity and decomposition, all of which change with time. It’s about everything coming together in a kind of balance.”
Violaine Buet
Pre-Loved von Sarmite Polakova
Pre-Loved von Sarmite Polakova
Aus Alt mach Neu: Die Material- und Produktdesignerin Sarmite Polakova und die Designerin Mara Maizele haben mit ihrem Biotextil Pre-Loved ein völlig neues Textilkonzept erschaffen. Pre-Loved besteht aus gebrauchten Textilabfällen und natürlichen Bindemitteln. Die Designerinnen möchten mit dem Produkt das traditionelle Konzept von Stoffen infrage stellen und die Perspektive auf recycelte Mischfasern verschieben. Shoddy nennt sich das Material, das aus unverkäuflichen und nicht mehr tragbaren Kleidungsstücken hergestellt wird. Baumwolle, Polyester und Wolle: Shoddy besteht aus einer Vielzahl von Fasertypen, die in dem Recyclingprozess zu einer einzigen Masse zusammengeführt werden.
Eine weitere Besonderheit ist die hervorragende Isolierungseigenschaft von Shoddy. Das Biotextil kann für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt werden: im wärmenden Wintermantel, in der gemütlichen Couch oder in der gut isolierten Hauswand. Durch Farbseparation, kontrollierte Musterung und sogar natürliche Färbung sticht der Stoff auch durch einen einzigartigen Look hervor. Darüber hinaus werden die kurzen Fasern, die sich sonst nicht zum Spinnen von Garnen eignen, mit Biokunststoffen kombiniert, die die Fasern von innen heraus stärken und dem Material eine glatte, lederähnliche Oberfläche verleihen. Mit Shoddy entsteht eine ganz neue Art von Chemiefaser – Pre-Loved zelebriert diese neue Textilidentität, die eine neue Ästhetik mit sich bringt und das frühere Leben jedes getragenen Kleidungsstücks durch Farb- und Strukturnuancen hervorhebt.
“When textile waste meets bio-plastics and together they form a new leather-like material for future fashion applications.”
Sarmite Polakova
Fixing Fashion von Alicia Minaard
Kopieren erwünscht - Fixing Fashion by Alicia Minaard
Wissen teilen, Kleidung retten: 3,3 Jahre – das ist die durchschnittliche Lebensdauer eines Kleidungsstückes. Mit guter Pflege und ein paar Tricks kann Kleidung noch viel länger erhalten bleiben. Die digitale Plattform Fixing Fashion hat es sich zum Ziel gemacht, Interessierten dabei zu helfen, ihre Lieblingsteile zu pflegen, selbst zu reparieren oder neu zu verwerten. Auf Fixing Fashion finden Nutzer:innen Ideen, Tipps und Anleitungen, um getragene Kleidung mit kreativen Ansätzen zu schützen. Dafür hat sich die Designerin Alicia Minaard gemeinsam mit der Organisation One Army über zwei Jahre lang vorbereitet: In Interviews, Workshops und Exkursionen hat das Netzwerk um Minaard weltweit die besten Praktiken und Methoden zum Recyceln und Reparieren ausrangierter Kleidung recherchiert – und stellt diese nun kostenlos zur Verfügung. Entstanden ist eine Kollektion, die man nicht kaufen kann, aber nachahmen oder als Inspirationsquelle für eigene Fixing Looks nutzen soll.
Doch dem Team von Fixing Fashion geht es nicht nur um die Bereitstellung von Informationen. Die Initiator:innen des Projektes möchten vielmehr eine Community aufbauen, die sich austauscht und sich dabei unterstützt, Kleidung länger zu erhalten – und damit nicht zuletzt auch Textilabfälle einspart. Durch die sorgfältige Pflege von Textilien kann die Lebensdauer von 3,3 auf 4,5 Jahre erhöht werden. Übertragen auf die amerikanische Textilabfall-Menge könnten somit jährlich 1,22 Millionen Tonnen Abfall gespart werden.
“The collection is not for sale. Instead, each look is merely meant to inspire. In a way it is meant to trick people, as if this is a brand but then really it has everything and you need to do it yourself!”
Alicia Minaard
New Blue Circular Denim
New Blue - ein neues Circular Denim Material von Tim van der Loo & Sandra Nicoline Nielsen
Kaufen, tragen, wegwerfen – das ist es, was mit den meisten Kleidungsstücken passiert. Genau dort setzt das Prinzip der Kreislaufwirtschaft an: Getragene Kleidung kann viel mehr sein als Abfall und ein Teil neuer und kontinuierlicher Materialflüsse werden.
Was 2018 als Projekt für eine Masterarbeit an der Weißensee Academy of Art in Berlin begann, wird derzeit von Re-FREAM unterstützt, einem Teil der STARTS-Initiative (Science + Technology + Arts) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Kommission.
„New Blue explores new pathways in circular economy, aesthetics and production. Denim is a ubiquitous material which is loved and used by many. It is also a significant source of waste. The challenge as we see it is to find a way to recirculate old worn out jeans and left over fibers within the system.“
Denim galt immer als besonders langlebiges Material – bis es seine Integrität durch die zunehmende Globalisierung und den schnellen Konsum verloren hat. Mit New Blue, dem neuen zirkulären Denim, möchten der Material- und Produktdesigner Tim van der Loo und die Techno-Anthropologin Sandra Nicoline Nielsen dies ändern. In ihrem Verfahren werden Jeans als Rohstoff in kleine Fasern geschnitten und dann zu einem Vlies verbunden. Mit einer neuen Technologie der digital unterstützen Industriestickerei wird direkt auf dem Vlies das Schnittmuster angefertigt. Durch eine neuartige Möglichkeit bleiben die durch die Stickerei definierten Bereiche beim Waschen des Vlieses intakt, während sich die nicht bestickten Teile des Vlieses bei Kontakt mit Wasser auflösen und schließlich wieder als Rohstoff verwendet werden können. So wird durch New Blue eine kreislauffähige und abfallfreie Produktion von Denim zur Realität.
Enschede Textielstad von Annemieke Koster
Enschede Textielstad von Annemieke Koster
Bis in die 1970er Jahre gehörte Enschede in den Niederlanden neben Manchester zu den europäischen Textilhochburgen. Dann verschwand die textile Produktion immer mehr aus dem Stadtbild, weil es wesentlich günstiger war, Kleidung und Textilien in Niedriglohnländern herzustellen. Nachvollziehbarkeit, Schutz der Arbeiter:innen und Nachhaltigkeit bleiben dabei jedoch oft auf der Strecke – daher entstand Enschede Textielstad aus Annemieke Kosters Wunsch heraus, die Transparenz entlang der textilen Wertschöpfungskette zurückzubringen und die einstige Tradition der Stadt wieder aufleben zu lassen.
„I want to bring textiles back to Enschede and make it a city of textiles again – where professionals who still know the craftsmanship of yesteryear pull their knowledge and find innovative approaches. But then in a new, innovative collaboration.“
Lokal, natürlich, qualitativ hochwertig: In der Industrieweberei Enschede Textielstad entstehen natürliche und möglichst lokal produzierte Garne und Stoffe für Mode und Heimtextilien. Die Basis dafür bilden faire und umweltschonende Rohstoffe, die ausschließlich von bekannten Lieferanten bezogen werden: garantiert Made in Europe – für kurze Transportwege und einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Das Angebot von Enschede Textielstad gibt diverse Optionen: Readymade Stoffe sind bereits produzierte Bestseller zum Direktkauf, Made To Order Stoffe sind gewebt, können aber individualisiert werden, oder Custom Made Stoffe für besonders individuelle Ideen, neue Stoffe oder zum Recycling von Produktabfällen – so ist für alle etwas Passendes dabei.