Simon, die diesjährige Sustainable Innovations (SI) Ausstellung auf der Munich Fabric Start scheint eine eher introspektive Wendung genommen zu haben. Kannst Du uns mitteilen, wie Du die diesjährige Kuratierung angegangen bist?
Simon Angel: Auf jeden Fall. Wenn man sich unsere früheren Themen ansieht, lesen sie sich fast wie fortlaufende Literatur. Zu Beginn haben wir uns mit den Herausforderungen beschäftigt, mit denen Designer konfrontiert sind, und mit dem Zögern der Branche, über traditionelle Praktiken hinauszugehen. Im Laufe der Zeit hat sich unser nachhaltiges Thema in die Struktur unserer Branche eingewoben und ist in Prozesse, Richtlinien und die Denkweise der Menschen eingeflossen. In dieser Saison setzen wir diese Geschichte fort, indem wir kritische Fragen stellen und eine ganzheitlichere Sichtweise einnehmen. Es geht weniger um Lösungen als vielmehr um Interventionen und transformatives Denken.
Interessant. Könntest Du näher erläutern, wie sich diese Philosophie in den ausgestellten Projekten manifestiert?
Simon Angel: Natürlich. Nehmen wir Suzanne Oude Hengels „Knit in Motion“ als Beispiel. Suzannes Arbeit stellt konventionelle Strickpraktiken in Frage und überschreitet Grenzen. Bei ihrer Erforschung der Kombination von Stricken mit thermoplastischem Polyurethan (TPU) und 3D-Druck geht es nicht nur darum, neue Formen zu schaffen, sondern auch darum, traditionelle Herstellungsprozesse zu hinterfragen und neu zu definieren. Diese Verschmelzung von Techniken verjüngt nicht nur das Produktdesign, sondern eröffnet auch neue Perspektiven für die Industrie.
Die Arbeit von Joris de Groot spielt ebenfalls eine große Rolle. Wie passt sein Ansatz in diese Erzählung?
Simon Angel: Joris‚ Ansatz ist die Quintessenz unseres Themas des Hinterfragens und der Innovation. Seine Projekte „2000N Pressed Shoe“ und „Recycled Raincoat“ zeigen beispielhaft, wie traditionelle Techniken für moderne Anwendungen neu interpretiert werden können. Durch die Integration industrieller Prozesse mit nachhaltigen Praktiken verwandelt Joris Abfälle in wertvolle Produkte und stellt damit das Konzept des materiellen Nutzens in der Mode in Frage. Seine Mitarbeit an dem Projekt „Welded Loop“ zeigt außerdem, wie die Kombination verschiedener Techniken zu neuartigen, nachhaltigen Lösungen führen kann.
Die Projekte von Tjeerd Veenhoven mit Mycelium sind faszinierend. Inwiefern tragen sie zu einer breiteren Erzählung bei?
Simon Angel: Tjeerd’s Arbeit mit Mycelium verkörpert einen Sprung in Richtung nachhaltige Materialinnovation. Sein Mycelium 2D Printing“ erforscht die Verwendung von Pilzmaterialien als Ersatz für herkömmliche Kunststoffe und Farbstoffe. Das passt perfekt zu unserem Thema, Systeme zu hinterfragen und neu zu denken. Bei Tjeerds Projekten geht es nicht nur darum, nachhaltige Alternativen zu schaffen, sondern sie stehen für einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie wir biologische Materialien in der Mode wahrnehmen und nutzen.
Das Projekt „RietGoed“ von Iris Veentjer sticht ebenfalls hervor. Welche Rolle spielt es in der Ausstellung dieser Saison?
Simon Angel: Iris Veentjers „RietGoed“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Materialinnovationen ökologische Herausforderungen angehen können. Indem sie hochwertige Textilien aus Schilffasern entwickelt, geht sie Probleme wie Bodensenkungen und CO2-Emissionen an. Iris‘ Ansatz ist ein Beweis dafür, wie nachhaltige Praktiken nahtlos in die Textilproduktion integriert werden können, um sowohl das ökologische Gleichgewicht als auch die wirtschaftliche Lebensfähigkeit zu fördern.
Ilse Kremers „Fabulous Fungi“ stellt eine neuartige Herangehensweise an die Textilfärbung vor. Wie passt es zum übergreifenden Thema der Ausstellung?
Simon Angel: Ilses „Fabulous Fungi“-Projekt ist ein brillantes Beispiel dafür, wie wir traditionelle Prozesse neu überdenken können. Durch die Verwendung von Pilzen zur Herstellung von Farbstoffen spricht Ilse sowohl Umwelt- als auch Gesundheitsbedenken an, die mit synthetischen Farbstoffen verbunden sind. Dieses Projekt verkörpert unser Thema der Erforschung und Umsetzung alternativer Lösungen, die sowohl innovativ als auch nachhaltig sind.
Kannst Du abschließend noch etwas zu den BIOTEXFUTURE-Initiativen und ihrer Bedeutung für das diesjährige Thema sagen?
Simon Angel: BIOTEXFUTURE steht an vorderster Front bei der Umstellung der Textilindustrie auf biobasierte Materialien. Diese Initiative, zu der auch Projekte wie TransitionLab und LightLining gehören, steht im Einklang mit unserem breiteren Ansatz, einen systemischen Wandel zu fördern. Durch die Konzentration auf biobasierte Polymere und nachhaltige Textilien ebnet BIOTEXFUTURE den Weg für eine Zukunft, in der die Textilindustrie echte Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit erreichen kann.
Welchen Einfluss haben diese Innovationen Ihrer Meinung nach auf die Zukunft der Textilindustrie?
Simon Angel: Diese Innovationen stellen einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise dar, wie wir Textildesign und -produktion angehen. Sie stellen bestehende Paradigmen in Frage und bieten neue Perspektiven für die Nachhaltigkeit. Indem wir eine Kultur des Hinterfragens und Experimentierens fördern, verbessern wir nicht nur die Praktiken der Branche, sondern inspirieren auch einen breiteren gesellschaftlichen Kurswechsel hin zu einem nachhaltigeren und überlegteren Konsum.
Simon, wir danken Dir für diese Einblicke. Es ist klar, dass es bei der SI-Ausstellung in dieser Saison nicht nur darum geht, neue Materialien zu präsentieren, sondern auch darum, ein tiefergehendes Gespräch über die Zukunft unserer Branche anzustoßen.
Simon Angel: Gern geschehen. Ich lade alle ein, sich mit diesen Projekten zu beschäftigen und an diesem sich entwickelnden Dialog teilzunehmen. Durch diese gemeinsame Erkundung werden wir wirklich nachhaltige Innovationen vorantreiben.
Wir freuen uns darauf, die Ausstellung dieser Saison zu erleben und zu sehen, wie diese bahnbrechenden Ideen die Zukunft gestalten werden.
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